Hilfe für Jableh – Gemeinde sammelt für die Opfer des Erdbebens in Syrien

Die Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion am 06.02.2023 zählen schon jetzt zu den schlimmsten Naturkatastrophen der letzten hundert Jahre. Schätzungen gehen von mehr als 40.000 Toten und über 100.000 Verletzten aus.

Gerade im vom Krieg geschwächten Syrien fehlt es an allem. Auch die Heimatstadt von Kutiba Saleh, einem syrisch stämmigen Mitglied der Flüchtlingshilfegruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf, ist schwer getroffen.
Die Gemeinde startet nun das Projekt „Hilfe für Jableh“. 

Video: Ev. Auferstehungs-Kirchengemeinde Oberhausen-Osterfeld (Gestaltung Rainer Brandt)

Fotos: Kutiba Saleh, privat

Ein Interview mit Kutiba Saleh:

Irene Diller: Kutiba, Du bist im Stadtteil bekannt als Spieler und Trainer bei Sterkrade-Nord und anderen Fußballvereinen – was verbindet Dich mit der Evangelischen Kirchengemeinde?

Kutiba Saleh: Ich bin 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Als ich schon eine eigene Wohnung hatte, wurden auch in der Kirche in Schmachtendorf Geflüchtete untergebracht. In der Gemeinde gab es Menschen, die sich darum gekümmert haben, dass sie in Wohnungen und Deutschkurse kamen. Weil ich so fußballbegeistert bin, wurde ich schon nach wenigen Wochen angesprochen, ob ich nicht mit den Kindern eine Fußballgruppe machen will. Ich habe die Kinder trainiert und selber in Sterkrade-Nord gespielt. Dort habe ich viele Freunde gefunden und viel gelernt.

ID: Und heute engagierst Du Dich noch immer in der Flüchtlingshilfe? 

KS: Ja, Integration durch Sport ist für mich der Schlüssel für viele junge Menschen, hier Fuß fassen zu können. Ich bin darum Teil der Flüchtlingshilfegruppe der Gemeinde und im B.O.N. aktiv. Dort finde ich auch Unterstützung für mein Projekt „Hilfe für Jableh“, genauso wie im Fußballverein. Alle wollen helfen.

ID: Wo warst Du am Tag des Erdbebens?

KS: Durch Zufall war ich bei einem Besuch in meiner Heimatstadt Jableh. Ich baue gerade eine Partnerschaft zwischen dem syrischen und dem deutschen Fußballbund auf. Deshalb war ich dort. Ich habe bei einem Freund in Jableh gewohnt und geschlafen als um 4 Uhr morgens das Erdbeben kam. Zuerst dachte ich, es ist ein schlechter Traum, dann sind wir alle hochgeschreckt und konnten uns nur noch festklammern. Wir waren im dritten Stock eines Hauses und dachten, jeden Moment wird das Gebäude einstürzen. Ich habe gedacht, das ist das Ende.

ID: Was habt ihr dann getan?

KS: Als das starke Beben vorbei war, sind wir raus und durch die Stadt gelaufen. Wir hatten großes Glück – das Haus, wo wir waren, ist nicht eingestürzt. Doch viele Häuser waren dem Erdboden gleich, nur noch Schutthaufen. Dazwischen sind einzelne Gebäude stehengeblieben. In der Nachbarschaft gab es ein großes Ärtzezentrum, in dem die Praxen und auch die Wohnungen der Ärzte waren. Es ist eingestürzt und sie sind alle gestorben. Auch dadurch ist die medizinische Versorgung in der Stadt entsetzlich. 

ID: Du kämpfst mit den Tränen, wenn Du davon berichtest. Es muss furchtbar gewesen sein.

KS: Überall rannten die Menschen und versuchten auf freie Flächen zu kommen, um nicht durch herabstürzende Steine getroffen zu werden. Man hörte lautes Weinen und Schreien, die Menschen versuchten sich nach oben Richtung Berge in Sicherheit zu bringen, weil man Angst hatte, dass dem Erdbeben ein Tsunami folgt. Mit bloßen Händen haben die Leute nach ihren verschütteten Familienangehörigen gegraben. Die Menschen können es nicht fassen – gestern haben die Kinder noch zusammen gespielt, heute sind viele von ihnen tot.

ID: Du bist zurück in Deutschland. Was hörst Du aus Jableh und der Nachbarstadt Latakia, wo Deine Eltern wohnen?

KS: Sehr viele Menschen sind obdachlos. Sie kommen bei Verwandten oder Nachbarn unter oder in Schulen und Turnhallen. Es fehlt an allem. Babynahrung und Medikamente sind knapp, aber auch Decken, Matratzen fehlen – alles. Ich weiß persönlich über meine Freunde, den Fußballverein und meine Familie allein in Jableh von 400 Familien, die alles verloren haben – und das nur aus meinem privaten Umfeld.

ID: Wie willst Du helfen?

KS: Viele meiner deutschen Bekannten haben gleich gefragt: Wie kann ich helfen? Die Flüchtlingshilfegruppe der Evangelischen Kirchengemeinde sammelt nun Spenden für Jableh. Wir wollen hier Geld sammeln und vor Ort die nötigsten Dinge kaufen und an die Menschen in Not verteilen. 

ID: Es gibt viele Hilfsorganisationen, die jetzt tätig werden – warum macht diese kleine Initiative trotzdem Sinn?

KS: Jede Hilfe, die geleistet wird, ist wichtig. Jede der großen Hilfsorganisationen tut lebensrettende Arbeit. Denn auch wenn das Erdbeben vorbei ist, sind die Menschen durch Krankheit, Hunger und Kälte in Lebensgefahr. Aber Hilfsorganisationen haben mit vielen staatlichen Auflagen zu kämpfen. Wenn wir über die Kirchengemeinde hier sammeln, können wir die Hilfe in Jableh und Latakia direkt an die Menschen bringen, die sie am nötigsten haben.

ID: In Oberhausen unterstützen dich die Fußballvereine und die Evangelische Kirche – wer außer Deiner Familie kann in Syrien bei der Verteilung helfen?

KS: Ich bin in der Region Syriens, wo ich herkomme, sehr bekannt, weil ich hier so viel Erfolg als Fußballtrainer habe. In Jableh habe ich selber im Verein gespielt. Es gibt viele Menschen, die vor Ort Hilfe organisieren können – und wollen. Aber dafür brauchen wir Geldspenden.
Ich glaube, es war kein Zufall, dass ich gerade zu dieser Zeit dort war. Ich glaube, es hat einen Sinn: dass ich helfen soll.

Sie wollen helfen?
Spenden Sie jetzt an:
Ev. Kgmde Königshardt-Schmachtendorf

IBAN: DE79 3506 0190 1010 2720 13
BIC: GENO DED1 DKD
Stichwort
: Hilfe für Jableh 

Das Interview führte Irene Diller, Dezernentin für Vielfalt und Gender bei der Evangelischen Kirche im Rheinland und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe der Ev. Kgmde Königshardt-Schmachtendorf (FHKS)

Zur Person:

Kutiba Saleh (Foto: Kutiba Saleh, privat)

Kutiba Saleh, 44 Jahre, verheiratet und Vater von zwei Söhnen,
studierte Philosophie und betrieb eine Molkerei, ist heute Fußballtrainer und LKW Fahrer,
stammt aus Syrien, seit 2015 in Deutschland
Sozial engagiert in der FHKS (Flüchtlingshilfe Königshardt-Schmachtendorf) und im B.O.N. (Bunter Oberhausener Norden), Engagementpreis der Stadt Oberhausen 2019, Gründer der Initiative „g.e.z. – Gib etwas zurück“  

Hintergrund:
FHKS – Flüchtlingshilfegruppe in der Evangelischen Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf

Von November 2015 bis Februar 2016 diente die Kirche an der Kempkenstraße als Notunterkunft für ca. 70 Geflüchtete. Es wurden überwiegend Familien aus Syrien, dem Irak, dem Iran, dem Libanon und aus Bangladesch aufgenommen. Menschen aus Königshardt, Schmachtendorf und Sterkrade verschiedener Konfessionen haben ehrenamtlich geholfen, die Familien in dem Kirchengebäude aufzunehmen und auf ihrem Weg zu begleiten. Daraus entwickelte sich ein fester Helferkreis mit heute ca. 15 Aktiven, die ca. 100 geflüchtete Menschen begleiten. Mehr Infos: https://www.ev-kirche-ks.de/unsere-angebote/rat-hilfe/

B.O.N. – bunter Oberhausener Norden

Der B.O.N. ist eine seit 1994 aktive, überparteilich und konfessionell nicht gebundene Bürgerinitiative gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit im Oberhausener Stadtteil Schmachtendorf. 
Die Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich für Flüchtlinge in Oberhausen und arbeiten dabei mit vielen anderen Oberhausener Institutionen und Initiativen zusammen. Mehr Infos: http://bunter-oberhausener-norden.de/

Die Region Latakia und Jableh

Die Region Latakia und Jableh liegt im Nordwesten Syriens am Mittelmeer und ist vom Erdbeben schwer betroffen – einige Karten im Internet zeigen hier falsche oder ungenaue Linien der Erdbebenregion. Die Region wird vom Assad-Regime kontrolliert. Aber Hilfsgüter der großen Organisationen oder der Regierung kommen dort kaum an. Humanitäre Hilfe ist dringend nötig. Viele Geflüchtete in unserer Stadt kommen aus dieser Region und haben dort Familie und Netzwerke und können in Zusammenarbeit mit der Gemeinde für eine direkte und lebensrettende Verwendung der Mittel sorgen.

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Tel.: 0208 69601-0
Fax: 0208 69601-222
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